Nachverdichten, aber wie?

19.09.2019

Original Beitrag auf Hamburger Abendblatt lesen

Lüneburg. Ursprünglich träumte Jens Krassmann von einer Tiny-House-Siedlung im Lüneburger Stadtgebiet. Dabei dachte er keineswegs an alternatives Bauwagen-Leben , das bei diesem Begriff vielen in den Sinn kommt. Vielmehr wollte er in einem Modellprojekt zeigen, wie sich in Modulbauweise auf verschiedenste Weise „tiny“, also klein, bauen lässt – nachhaltiger, ressourcenschonender und billiger als in herkömmlicher Bauweise.

„Module für Mini-Häuser werden am Computer entworfen und mit CNC-Fräsen hergestellt, auf den Nanometer genau“, erklärt Krassmann. Die fertig gedämmten Holz-Module werden vor Ort und Stelle zusammengesetzt und nicht in Fundamenten sondern mit Erdankern befestigt. „Beim Innenausbau ist wie in anderen Gebäuden alles möglich, mit jedem Schnickschnack.“

Reisen durch Europa, um auf dem neuesten Stand zu sein

Im Begegnungshaus übernehmen wir die Aufgaben unterschiedlicher Gewerke im Innenausbau: Trockenbau, Maler-, Holz- und Putzarbeiten. Wir legen Parkett und Fliesen sowie die Rohre für die Elektrik selbst. Wir machen alles außer der Gebäude- und Haustechnik, der Elektrik und dem Fensterbau. Die Gebäudehülle und Statik stand bereits.

Wie läuft so ein Bau-Projekt auf freiwilliger Basis?

Der Immobilienfachmann ist vom Tiny-House-Virus infiziert. Er besucht Festivals und bekannte Gesichter der Szene, reist zu Herstellern von Modulbauten in ganz Europa, um auf dem neuesten Stand zu sein. Auch in der Familie und im Freundeskreis ist das „Downsizing“, die Reduzierung des eigenen Wohnraums, das hinter der Idee der Tiny Houses steht, immer wieder Thema.

„Ich beobachte bei den Menschen einen gewissen Sättigungseffekt und eine Bewusstseinsänderung. Viele wollen nicht mehr mit dem Bau-Mainstream mitgehen, der häufig groß und teuer bedeutet“, erzählt der 52-Jährige. Das Modell, auf Generationen zu bauen, habe ausgedient. „Viele Menschen machen heutzutage eine Lebensplanung für zehn, maximal fünfzehn Jahre. Dann sind die Kinder aus dem Haus oder es wird vielleicht noch einmal der Ort gewechselt“, sagt Krassmann. Auch diesem Trend würde die Modulbauweise gerecht, die ebenso schnell zu revidieren wie herzustellen sei. „Zwischen 60 000 und 70 000 Euro kostet solch ein Mini-Haus, da sagt der Preis doch schon alles.“

„Für Mini-Häuser“ gäbe es noch noch viele Baufenster“

Zurück zum Anfang: Aus Krassmanns Traum wurde erst einmal nichts. Der Stadtverwaltung konnte er seine Idee einer Tiny House-Siedlung nicht schmackhaft machen, den Zuschlag für ein avisiertes Gelände im Hanseviertel erhielten andere. „Zum Glück!“, sagt er heute, denn dadurch entstand bei ihm die Idee, wie sich die winzigen Häuser auch anders einsetzen lassen: Nicht auf der grünen Wiese, sondern im Rahmen der Nachverdichtung.

„Es gibt viele Flächen, die für herkömmliches Bauen nicht geeignet sind. Besonders kleinere Flächen werden für die Nachverdichtung oft nicht in Erwägung gezogen, weil Häuser bislang immer eine bestimmte Größe haben mussten.“ Der Aussage von Oberbürgermeister Ulrich Mädge, bei 85 000 Einwohnern müsse Schluss sein, mag er deshalb keinen Glauben schenken. „Ein Blick in Bebauungspläne und Liegenschaftssysteme zeigt: Für Mini-Häuser gäbe es noch viele Baufenster in Lüneburg, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen“, so Krassmann.

Anstatt eine Tiny-House-Siedlung zu bauen, macht er jetzt den Selbsttest im Sinne der Nachverdichtung. Im April hat er mit seinem Büro ein kleines Haus an der Dahlenburger Landstraße bezogen und bis auf ein Nebengebäude alle Baracken im Hinterhof abreißen lassen. Zwischen Haupthaus und Nebengebäude sollen in den kommenden Wochen Holz-Module eingesetzt werden, die die Grundfläche des Hauses von nur 38 Quadratmetern deutlich erweitern und im Obergeschoss eine zusätzliche Wohnung von 70 Quadratmetern schaffen. Baurechtlich zählt das dabei entstehende Ensemble als ein Gebäude. Und auch ins Innere des Nebengebäudes, dessen historische Backsteinfassade er bestehen lassen möchte, sollen Module eingesetzt werden und den Schuppen in moderne Räumlichkeiten verwandeln.

Mehr Menschen für das Thema begeistern

Krassmann hofft, mit diesem Modell Schule zu machen und Menschen zu ermutigen, auf ihren Grundstücken zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Die Baugesetzgebung sieht er als wenig problematisch an. „Viele Bebauungspläne sind heute nicht mehr zeitgemäß, Ausnahmen daher möglich. Man sollte es immer versuchen“, sagt er und rät dennoch dazu, bei entsprechenden Planungen mit erfahrenen Architekten vorzugehen.

Nicht zuletzt verfolgt Krassmann mit seinen Bemühungen noch eine viel größere Vision: „Sollte ein Trend entstehen, ‚tiny‘ und damit flexibler und günstiger zu bauen, könnte dies eine Möglichkeit sein, die aktuelle Preisentwicklung am Markt auszubremsen.“ Dass die Immobilienblase eines Tages platzt, daran glaubt er nicht. „Aber vielleicht könnte sie so auf andere Weise reguliert werden.“

Für sein Vorhaben hat sich Jens Krassmann mit dem Lüneburger Zimmerermeister Milan Pribnow zusammen getan. Sie setzen auf flexiblen Holzmodulbau, der höchsten ökologischen und baubiologischen Anforderungen entspricht. Die mobilen Wohneinheiten könne…

Für sein Vorhaben hat sich Jens Krassmann mit dem Lüneburger Zimmerermeister Milan Pribnow zusammen getan. Sie setzen auf flexiblen Holzmodulbau, der höchsten ökologischen und baubiologischen Anforderungen entspricht. Die mobilen Wohneinheiten können wie auf dieser Grafik per Lkw transportiert werden. Grafik: Pribnow